Große Solidarität für Angelo Lucifero
Solidarisches Frühaufstehen: Rund 100 AntifaschistInnen und GewerkschafterInnen hatten sich am Mittwochmorgen um 8 Uhr
vor dem Erfurter Amtsgericht eingefunden, um am Auftakt der Verhandlung gegen den ver.di-Sekretär Angelo Lucifero
teilzunehmen. Die AG17 dokumentiert einen Bericht des Antifa-Recherche-Teams Erfurt (ARTE):
Unter aufwendigen Sicherheitsvorkehrungen begann der Prozess in der zweiten Etage des Amtsgerichtes. Gerichtsbesucher
wurden aufwendig durchsucht, selbst PressevertreterInnen wurde es nicht gestattet, ihre Kameras mit in den
Gerichtssaal zu nehmen. Schon im Vorfeld hatte sich abgezeichnet, dass die 40 Sitzplätze im Sitzungssaal nicht
ausreichen würden. Schon ab kurz vor sieben Uhr hatten sich deshalb Unterstützer von Angelo vor dem Erfurter
Gewerkschaftshaus getroffen, um von dort aus gemeinsam zum Gerichtsgebäude zu gehen. Fast zeitgleich hatten sich auch
Antifas aus Erfurt und anderen Thüringer Städten auf dem Fischmarkt getroffen und hatten sich auf den Weg zum
Justizzentrum gemacht.
Schließlich hatte auch die Erfurter Naziszene dazu aufgerufen, die Verhandlung zu besuchen. Es war also zu befürchten,
dass sich feixende Nazis in den Reihen der ZuschauerInnen wiederfinden würden. Am Ende kamen jedoch nur die Erfurter
NPD- und JN-Kader um Kai-Uwe Trinkaus, Dominik Weinlich und Hans-Peter Brachmanski zur Verhandlung. Außerdem war
Hanjo Wegmann als Nebenkläger erschienen, der von der Notwehraktion am 15. März 2007 (laut verlesener Anklageschrift)
ein Knalltrauma und eine Rötung im Gesicht davongetragen haben will. Wegmann, der im Internet eine esoterisch
angehauchte Raucherentwöhnung unter dem Titel "Sichtwende" anbietet, trainiert die organisierte Erfurter Naziszene
im Nahkampf unter dem Dach des "SV Vorwärts Erfurt" - einem Verein, der eigentlich vorgab, mit seinen Mitgliedern
nur Badminton zu trainieren. Auf Kundgebungen und Aktionen der extremen Rechten schien er sich um den Schutz des
Vorsitzenden des NPD-Kreisverbandes Erfurt-Sömmerda, Kai-Uwe Trinkaus , zu kümmern. Außerdem erschienen die Nazizeugen
Weinlich, Zeidler und Schlöffel vor Gericht - allesamt organisierte Aktivisten der Erfurter Naziszene. Dominik
Weinlich ist Chef der Erfurter NPD-Jugendorganisation, den "Jungen Nationaldemokraten (JN)" , stellvetretender
Thüringer Landvorsitzender der JN sowie im JN-Bundesvorstand aktiv. Heiko Zeidler ist seit ca. zwei Jahren daran
beteiligt, in Erfurt Informationen über AntifaschistInnen und politisch missliebige Personen zusammenzutragen.
Außerdem schreibt er für die Seite des sogenannten "Aktionsbüros Erfurt" und veröffentlicht dort Fotos, die er
mit seiner Lumix-Digicam aufgenommen hat.
Da viele linke UnterstützerInnen frühzeitig im Justizzentrum erschienen, mussten die acht anwesenden Nazis draussen
bleiben, da sämtliche Plätze besetzt waren. Allerdings konnten auch viele Supporter von Angelo nicht am Prozess
teilnehmen. Viel verpassten sie allerdings nicht: Denn schon als Staatsanwalt Scholz die Anklageschrift verlas,
stellte sich heraus, dass Angelo Lucifero den Worten des StA nicht folgen konnte. Der ver.di-Sekretär leidet unter
einem Hörschaden, zudem kam in der vergangenen Zeit ein Tinitus dazu. Da er die beginnende Verhandlung akustisch
kaum verfolgen konnte, wurde sie nach einem Gespräch zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung vertagt. Zunächst
soll von einem Arzt ein Gutachten über Angelos Hörvermögen erstellt werden. So fand der Prozess nach wenigen Minuten
ein schnelles Ende, ein Termin für eine Fortsetzung ist noch nicht bekannt.
Für alle überraschend war die starke Anteilnahme an diesem Prozess. Annähernd 100 Menschen hatten zum Teil
mehrere Stunden Fahrt auf sich genommen, um den angeklagten Antifaschisten in diesem Prozess zu unterstützen. Im A
nschluss an den Prozess demonstrierten rund 80 Personen vom Justizzentrum bis zum Erfurter Anger mit einer kleinen
Spontandemo ihre Unterstützung mit Angelo Lucifero, der sich am 15. März 2007 gegen einen Naziangriff zu Wehr gesetzt
hatte und deshalb angeklagt wird. "Wir werden ihm auch an den kommenden Verhandlungstagen solidarisch zur Seite
stehen", war am Mittwoch von vielen UnterstützerInnen zu hören.
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