Was der "Konsens" uns gestattet - Bündnisse als Machtpolitik



Als wir zu einem Bündnistreffen "Dresden - nazifrei" Thüringen eingeladen wurden, nahmen wir diese Einladung mit gemischten Gefühlen an. Zu frisch waren noch die Erinnerungen an die Querelen im Vorfeld des 1.Mai 2010 in Erfurt. Von Teilen des Linken Spektrums wird uns seitdem vorgeworfen, nur noch Abgrenzungspolitik zu betreiben. Unsere Intention in dieses Bündnis zu gehen war, linksradikale Positionen zu vertreten und diese in solche scheinbar breitgefächerten Bündnisse zu tragen. Konkret zum 13. Februar in Dresden ging und geht es uns darum, den Naziaufmarsch zu bekämpfen, aber auch das bürgerliche Gedenken als ein GLEICHWERTIGES Ziel antifaschistischen Protestes zu etablieren. Von einer Gleichsetzung beider Trauerveranstaltungen war bei uns nie die Rede, noch dass sich unbedingt für eine von beiden entschieden werden müsse. Beides bedingt sich in unseren Augen und kann nicht getrennt betrachtet werden. Sich nur auf den Naziaufmarsch zu konzentrieren und die Kritik an dem bürgerlichen Gedenken zur Bombardierung Dresdens möglichst folgenlos in eine Debattierecke zu verbannen, halten wir für populistische Heuchelei und technokratisches Eventmanagement.

Zu den Treffen selbst
Schon von Anfang an hatte sich ein Teil unserer Skepsis bestätigt. Wir wurden zwar nicht sofort verbal ausgenockt, hatten jedoch den Eindruck, dass es im Wesentlichen um die Umsetzung der Beschlüsse des bundesweiten Treffens ging, dem das Thüringer Bündnis folgen müsse. Als Kompromiss sollte ein gemeinsamer Aufruf für Thüringen mit verstärktem Fokus auf das bürgerliche Gedenken Dresdens erarbeitet werden. Die Resolution des bundesweiten Treffens fanden wir phrasenhaft allgemeingehalten und wenig aussagekräftig. Das Gleiche gilt für den bundesweiten Aufruf von "Dresden - nazifrei". Verwaschene allgemeine Formulierungen, die immerwiederkehrenden gleichlautenden Floskeln, das bürgerliche Gedenken Dresdens wurde nicht einmal genannt.
Als bei dem zweiten Treffen uns bedeutet wurde, dass wir an den Beschlüssen des bundesweiten Treffens nicht mehr rütteln könnten, es also nur noch um die Umsetzung ginge, hätten wir eigentlich den Zirkus beenden müssen. Wir taten es nicht, da wir uns eine inhaltliche Auseinandersetzung und Ausrichtung bei der Erarbeitung des Aufrufes erhofften. Der "Aktions-Konsens", dem wir uns anschließen sollten, um im Bündnis zu bleiben, war für uns fremdbestimmt und ihn zu verlassen wurde mehr oder weniger als "no go" markiert. Das ANW Jena nennt dies basisdemokratisch, wir dagegen nennen es Machtpolitik.

Wie schreibt man eigentlich einen Aufruf?
Auf dem zweiten Treffen brachten wir den Vorschlag ein, dass einzelne Gruppen jeweils einzelne Themen des Aufrufes schreiben und dies dann den Bündnisgruppen zugänglich machen. Zu diesem Vorschlag gab es keinen erkennbaren Widerspruch. Warum es dann ein extra Aufruftreffen geben sollte, war uns nicht schlüssig, inkonsequenterweise willigten wir jedoch ein. Also entschlossen wir uns, wie im Bündnistreffen vorgeschlagen, den Gedenkteil des Aufrufes zu entwerfen und zu schreiben. Die inhaltlichen Stichpunkte wurden auf unserem Gruppentreffen diskutiert erarbeitet und darauf basierend der Text geschrieben und dem Bündnis zugänglich gemacht. Verwunderlich fanden wir dann, wie unser Text bis auf ein paar Formulierungen auf einmal verschwand und etwas ganz anderes entstand: Fragmente und Textschnipsel, mit denen wir wenig anfangen konnten. War unser Gruppenstandpunkt wirklich nur zum Verwursten in einem Allgemeintext gedacht? Sollte etwa von vornherein Schärfe herausgenommen werden, um anderen Gruppen nicht zu viel zuzumuten? Gibt es in beteiligten Gruppen überhaupt inhaltliche Diskussionen an Hand von Aufruf-Vorschlägen? Oder ist das nur ein veraltetes "Ritual" bei einigen Antifagruppen? Mit diesen Fragen wollten wir zum nächsten Treffen, dass jedoch kurzfristig auf einen anderen Termin gelegt wurde, den wir nicht wahrnehmen konnten.

Ende gut alles gut?
Genau auf jenem Treffen kam es zum Eklat. Unsere Informationen dazu sind aus zweiter Hand, divergieren aber nur wenig (außer in dem Statement des "Redroxx- Teams"). Dabei ist uns das Auftreten des "Redroxx-Teams" schleierhaft. Im Vorfeld des ersten Bündnistreffens gab es ein Gesprächsangebot seitens des "Redroxx-Teams" an die AG17. Nach eigenem Bekunden des Vertreters besagten Teams ging es ihnen darum, in einer eventuellen Konfrontation mit dem ANW Jena sich unserer Unterstützung zu vergewissern. Auf den Bündnistreffen gabs aus unserer Sicht nichts zu unterstützen, weil das "Redroxx-Team" nichtssagend agierte, indem es so gut wie nichts sagte. Um so verwunderlicher zu erfahren, dass das "Redroxx-Team" beim dritten Treffen den Schulterschluss mit dem ANW Jena vollzog, eine polarisierende Haltung gegenüber den anwesenden Antifagruppen einnahm und auf Konfrontation ging. Dieses Handeln ist für uns nicht nachvollziehbar unberechenbar und somit sehen wir auch für die Zukunft keine Vertrauensbasis zum "Redroxx-Team".
Ähnliche Erfahrungen gibt es mit dem Aktionsnetzwerk Jena. Trotz dass unsere Einladung zum Bündnistreffen vom ANW Jena selbst kam, bedeutete uns schon "Der Guru" besagten Netzwerkes bei der ersten Zusammenkunft, dass wir hier komplett auf dem falschen Treffen seien. Wir sollten doch besser zu "no pasaran" gehen, wo es doch schließlich auch Diskussionen um den Stellenwert des bürgerlichen Gedenkens am 13. Februar in Dresden gäbe. Im Nachhinein drängt sich uns der Verdacht auf, in interne Querelen innerhalb des ANW Jena reingezogen worden zu sein, die sich um die Machtpolitiken einzelner Personen drehen. Uns gegenüber ergab dies ein inkonsistentes Verhalten seitens des ANW Jena. Diese Machtpolitik war als Hintergrundmusik in diesem Konflikt immer präsent. Dabei ist es für uns eben nicht ausschlaggebend, was Gruppen wie avanti oder Antifaschistische Linke Berlin (ALB) gerne hätten, sondern ob Prozesse hier vor Ort möglich sind und gesellschaftskritisches Handeln nach sich ziehen.
Auch sind uns keine inhaltlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Bündnistreffen, die zur Spaltung geführt hätten, bekannt geworden, noch haben wir selbst inhaltliche Dispute erlebt. Es ging immer nur um rein taktische Überlegungen, was gesagt und kommuniziert werden könnte und was nicht. Ein deutliches Beispiel war: ein Vertreter der LINKEN antwortete auf die Nachfrage, ob die Partei ihre Ablehnung der Gleichsetzung von Naziaufmarsch und bürgerliches Gedenken auch inhaltlich belegen könne uns gegenüber, Zitat "Die LINKE möchte schließlich gewählt werden". Es war für uns ein ehrliches Bekenntnis zum Populismus.
Innerhalb des Aktionsnetzwerk Jena muss es auch einige argumentative Tiefflieger gegeben haben. So wurde aufgerechnet, dass das ANW Jena mit 10 Bussen nach Dresden fahren wird, während es die Antifagruppen aus Thüringen auf 3 Busse bringen werden. Es käme somit nicht auf die Antifa an und derem Begehren nach einer erweiterten inhaltlichen und praktischen Ausrichtung der Proteste könne getrost eine Abfuhr erteilt werden. Die wichtigsten Schäfer scheinen also nach diesen "Argumenten" jene zu sein, die die meisten Schafe zusammen treiben, egal was an Positionen und Inhalten dabei auf der Strecke bleibt. Dass das "Redroxx-Team" sich dann in seinem abschließenden Statement doch zu einer Gedenkkritik hinreißen lässt, halten wir für Placebo-Politik. Dieser Text wird weder für die Bündnisarbeit in "Dresden - nazifrei" noch auf das Vorgehen am 13.Februar in Dresden von Belang sein. Denn dort wird das "Redroxx-Team" solidarisch mit Gewerkschaftsbonzen, Politprominenz wie dem Linkspopulisten Bodo Ramelow und Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse friedlich blockierend die Demokratie beschützen und den "Event" nicht durch allzulaute Kritik gefährden. In solchem Kontext von "Konsens" und nicht (faulem) Kompromiss zu reden ist eine Farce. Dass es trotzdem politische Auseinandersetzungen um das bürgerliche Gedenken Dresdens und deren Geschichtsrevisionismus gibt, lässt hoffen. Progressive Impulse aus Thüringen sind innerhalb von "Dresden - nazifrei" nicht mehr zu erwarten.

Fazit
Für diese Art Querelen, Machtspielchen und Konzeptebasteleien werden wir in Zukunft nicht zur Verfügung stehen. In Bündnissen sollte es um praktische und inhaltliche Zusammenarbeit gehen, nicht jedoch um die Reputation einzelner Machtfiguren noch um Parteipolitische Erwägungen. Autoritäre Strukturen, mögen sie sich auch gegen Nazis wenden und die eine oder andere progressive Position vertreten, halten wir für nicht-emanzipatorisch und kritisierenswert. Nichtsdestotrotz werden wir weiterhin versuchen, in antifaschistische Bündnisse zu gehen und dort zu intervenieren, nur nicht um jeden Preis und alles ertragend.

PS: Der interessierten Öffentlichkeit möchten wir nicht den Aufrufgenerator vorenthalten, der auf satirische Art und Weise die holzschnittartigen Phrasen vieler Bündnis-Aufrufe wiedergibt: http://www.aufrufgenerator.com. Auch würdigen wir hiermit das Bemühen einer einflussreichen Berliner Antifagruppe, die erfolgreich veranlasste, dass der Aufrufgenerator bei blogsport.de offline ging. Siehe http://aufrufgenerator.blogsport.de.

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