Farbanschläge auf jüdische Friedhöfe in Erfurt und Gotha

Für Nazis ist, wie für viele Deutsche, der Volkstrauertag ein besonderer Tag. Kränze werden vor die Kriegsgräber geschleppt, schwarzweißrote Fahnen gehisst und ein zerknirschtes Gesicht gezogen über den Fakt eines längst verlorenen selbstverschuldeten Krieges. Dieses Jahr wurde noch eins drauf gesetzt.

Farbanschläge mit roten Flüssigkeiten auf die Eingänge der Jüdischen Friedhöfe in Erfurt und Gotha gehen durch die Presse, wobei in Gotha ein antisemitisches Transparent angebracht und ein Schweinskopf aufgespießt wurde. Es handelt sich nicht um einen Dumme-Jungen-Streich sondern um unverhohlenen Antisemitismus.
Diese Taten kommen nicht von ungefähr sondern sind logische Konsequenz aus der gesellschaftlichen Entwicklung vor allem der letzten Monate. Das einzige, was öffentlichen Medien und der Politik zur der Entwicklung der sogenannten Finanzkrise (welche wohl eher eine strukturelle Krise des Kapitalismus an sich ist) einfällt, ist über Hedgefonds, gierige Manager und Banker und das "entfesselte anglo-amerikanische Finanzsystem" herzuziehen. Die gefräßigen Heuschrecken sind wieder schuld. Wer jedoch "raffende" Finanzkapitalisten als die Bösewichter dieser Welt ausmacht, die das "ehrlich schaffende" Kapital gefährden, diskutiert nicht nur an der Realität vorbei sondern gerät auch schnell ins antisemitische Fahrwasser. Schon lange sind "die Juden" als raffgierige Geldhändler verschrien, die scheinbar mühelos die "Völker" ausbeuten und als Sündenböcke herhalten, wenn es schief geht.
So lange die Börsen und ihre Finanzblase die Konjunkturen ankurbelten und Nachfrage erzeugten, proklamierte alle Welt von demokratischen Parteien über Industrien bis zum Handwerker um die Ecke den Aufschwung als eigenen Erfolg und saß beim Spekulieren und Finanzjonglieren mit am Tisch. Jetzt, da der Laden krachen geht und sich das ganze System als widersinnig herausstellt, soll es die "Gier" der angloamerikanischen Banker gewesen sein. In diesem Klima fühlen sich antisemitische Verschwörungstheoretiker, zu denen Nazis durchweg gehören, in ihren Ressentiments bestärkt und wittern Morgenluft. Die argumentativen Steilvorlagen kommen schließlich aus der Mitte der Gesellschaft und machen auch nicht vor der LINKEN halt, der keine bessere Forderung als die Besteuerung von Millionären einfällt und sich somit verdächtig nahe an der Heuschreckenjagd befindet.

Wer den Standpunkt der abstrakten "ehrlichen" Arbeit jedoch nicht aufgeben will, soll sich nicht wundern, wenn der Antisemitismus immer wieder sein Fratze zeigt. Dagegen helfen dann auch keine demokratischen Lippenbekenntnisse.



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