Ein paar Gedanken zu Fridays For Future


Am kommenden Freitag, den 18.10.19, wird der Dachauer Ableger von Fridays For Future (FFF) erstmals in Dachau demonstrieren. Grund genug sich darüber einige Gedanken zu machen. Viele entdecken zaghaft das Thema Klima für sich, auch die bürgerliche Politik. FFF polarisiert und erntet dafür auch Gegenwind, wie zuletzt bezüglich der Kritik an der Schulleitung des Ignaz-Taschner-Gymnasiums (1).
Grundsätzlich muss man mit FFF solidarisch sein. Junge Menschen, vielmehr Schüler_innen werden allen Orten politisiert und bringen sich aktiv in gesellschaftliche Auseinandersetzungen ein. Sie organisieren sich fast schon selbstverständlich basisdemokratisch und versuchen hierarchiefrei bis hierarchiearm zu sein. Außerdem sind sie nicht der Versuchung erlegen sich von Parteien vereinnahmen zu lassen, auch nicht von den Grünen. Das ist ein wesentlicher Aspekt und diese Selbstverständlichkeit ist überraschend. Ebenso überraschend ist die internationale Ausbreitung, die Begeisterung Gleichaltriger. Hier entsteht ein Potenzial für eine neue soziale Bewegung, die sich um nationale Grenzen zunächst keine Gedanken macht.

Umso ätzender ist die Kritik der Älteren, die Empörung darüber, dass Schüler_innen die Schule schwänzen. Jessas Maria. Mit solchen Reaktionen aus der Welt der Erwachsenen müssen sie allerdings rechnen und sie gehen damit in Dachau auch relativ professionell und argumentativ sachlich um. Dies ist aber nutzlos, wenn sich extrem rechte Kräfte, wie die AfD, über FFF äußern. Diese sind für rationale Argumente nicht zugänglich und das nicht nur, weil sie Klimaschutz rundum ablehnen bzw. den Klimawandel nicht als menschengemacht oder als pure Propaganda mittels gefakter Zahlen betrachten. Die AfD hat aus mehrerlei Gründen ein Problem mit FFF: Da kommen zuallererst Schüler_innen und Jugendliche an und wollen den Erwachsenen politisch etwas vorschreiben. Dabei haben sie doch noch gar nichts geleistet. Und noch schlimmer, sie verweigern die Leistung für ein paar Stunden, in denen sie die Schule schwänzen. Damit setzten sie sich über die in Deutschland bestehende Schulpflicht hinweg. Da bekommen die geneigten AfD-Anhänger_innen Schaum vor dem Mund. In den sozialen Netzwerken können sie sich gegenseitig ihre Abneigung über FFF bestätigen, natürlich in der gewohnten Manier unter die Gürtellinie. Das macht es der heterogenen Masse an FFF-Anhänger_innen und den Aktiven leicht politisch zu sortieren, wer auf welcher Seite steht. Die AfD dürfte es sich damit auf ewig beim Klientel von FFF verscherzt haben. Umso besser.

Grundsätzlich haben auch Nichtvolljährige ein Recht auf politischen Protest und ebenso dürfen sie die Mittel ihres Protests selbst wählen. Ob die Demonstrationen während der Schulzeit per Definitionem tatsächlich Streiks sind, muss allerdings verneint werden. Ziel eines Streiks ist es ökonomischen Druck auf den Gegner auszuüben. Wenn Lohnabhängige kollektiv die Arbeitsleistung verweigern, kann das bestreikte Unternehmen keinen Mehrwert produzieren, was ja sein einziger Daseinszweck ist. Natürlich sind Schüler_innen keine Lohnabhängigen, jedenfalls noch nicht. Sie verweigern aber die von ihnen geforderte Leistung und begehen einen Regelbruch. Somit wären die Aktionen von FFF als Akte zivilen Ungehorsams zu bezeichnen. Ökonomischen Schaden ziehen ihre Aktionen nicht nach sich. Und genau da können zwei zukünftige Probleme entstehen. Das eine Problem ist, dass die Aktionen eben keinen nennenswerten langfristigen Druck ausüben können. Hier wird sich die Bewegung die Frage stellen müssen, ob sie ihre Aktionsformen ausweitet. Da FFF sehr heterogen ist, wird dies zwangsläufig zu internen Konflikten führen. Dieser Prozess ist aber unerlässlich, denn eine so schnell angewachsene Bewegung muss sich auch finden. Bleibt sie auf der Stelle stehen, wird der Protest abebben.

Auch inhaltlich muss deutlich hinterfragt werden, ob es zielführend ist alleine Forderungen an Regierungen zu stellen. Ist es denn nicht das Industriekapital, das den Hauptnutzen aus Kohlestrom zieht? In der BRD ist die Autoindustrie der tonangebende Zweig des Kapitals. Es sind nicht technologische Defizite, die schadstoffarme Produktion bisher verhinderten. Sollte beispielsweise die Autoindustrie mit hohen gesetzlichen Auflagen zu wie auch immer gearteten Klimaschutzmaßnahmen verdonnert werden, verlegen sie ihre Produktion einfach nach Osteuropa. Das geschieht ohnehin schon vielfach, allerdings eher aufgrund der dort niedrigeren Löhne. Die ökonomischen Folgen wären drastisch. Das wissen Regierungen und Regierungen werden es tunlichst vermeiden sich mit dem Kapital anzulegen. Vielmehr führen bürgerliche Regierungen Forderungen des Kapitals und seiner Interessensverbände aus. So geschehen im Falle von Hartz IV, der Schaffung von Niedriglohnsektoren und der Ausweitung von Leiharbeit. All das wird bei FFF (noch) nicht berücksichtigt. Und außerdem, wenn man eben darüber spricht, kommt man unweigerlich auch zu Verteilungsfragen.

Die gesellschaftlichen Verhältnisse sind leider immer noch kapitalistische Verhältnisse. Es wäre wichtig das bei FFF miteinzubeziehen. Auch ist FFF überwiegend an Gymnasien ein Phänomen. Daher sollte auch die Lebensrealität von Schüler_innen aus sozial weniger gut gestellten Familien berücksichtigt werden. Eine soziale Bewegung muss in der Lage sein die Menschen an der Basis abzuholen und eine etwaige eigene privilegierte gesellschaftliche Stellung kritisch zu hinterfragen. Dann ist sie in der Lage zu wachsen und sich in Gegenseitigkeit auf andere fortschrittliche Ansätze zu beziehen. Nichtsdestotrotz sind wir solidarisch mit Fridays For Future, denn es zeigt, dass sich immer etwas bewegen kann, selbst dann, wenn man es überhaupt nicht erwartet.

(1) https://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/klimadebatte-in-dachau-umweltaktivisten-kritisieren-schulleiter-1.4612725