Bericht während der Sreik-Aktionen im öffentlichen Dienst 2006 in München

Streiken steht im Moment wieder hoch im Kurs. Es ist fast egal, wo man hinsieht. Frankreich, England, die BRD – überall haben die Leute die Schnauze voll. Ständig steigende Lebenserhaltungskosten, wie die erhöhten Energiepreise, teuere Fahrkarten im Nahverkehr, Anhebung der Mehrwertsteuer, Lohnkürzungen, Streichung der Sonderzuschläge und Verlängerung der Arbeitszeit, Rente mit 67……..und das schon seit Jahren. Den Politiker_innen fällt es immer schwerer Neuigkeiten plausibel unters Volk zu bringen.

Gleichzeitig haben natürlich die Gewerkschaften ihre Chance gewittert, ihren Mitgliederschwund der letzten Jahre zu begegnen. Und dem Vertrauensverlust.

Zum ersten Mal seit 1992 finden im öffentlichen Dienst wieder Streiks statt. Ich bin Angestellte des öffentlichen Dienstes an der LMU in München. Seit 2 Jahren gelten für alle Neueinstellungen die neuen Arbeitsbedingungen, die unsere fürsorgliche Regierung eingeführt hat, indem sie den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) aufgekündigt hat. Das bedeutet eine Verlängerung der Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf 42 Stunden in der Woche bei gleich bleibendem Lohn und Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für alle Neueinstellungen ab dem 1. Juli 03. Ich bin so ein Fall.
Im Gegensatz zu vielen anderen haben ich zwar das Glück, dass ich nicht meine kompletten 42 Std. abarbeiten muss (soviel hätte ich auch gar nicht zu tun), da bei uns nicht gestempelt wird. Hauptsache die Arbeit wird erledigt.

Leider kann man nicht gerade behaupten, dass trotz der neuen Bedingungen an den Unis ein erhöhtes Streikpotenzial herrschen würde. Zumindest was die Verwaltungen und die Institute angeht. Die Unikliniken sind da bei weitem streiklustiger.

Es wird auch nicht durchgestreikt, wie es z.B. die Mitarbeiter_innen der Theater oder der Sraßenmeistereien der Fall ist. Ganz einfach aus dem Grund, dass es unglaublich schwer ist die Leute dazu zu bewegen auf die Straße zu gehen: Entweder es herrscht Desinteresse, Unverständnis oder diese „das-machen-die-anderen-schon-für-mich-Mentalität“. Also gibt es immer nur einzelne Streiktage, maximal eine halbe Woche.

Bisher haben ich zweimal daran teilgenommen. Als einzige von einem Institut von etwa 30 Mitarbeiter_innen. Das erste Mal war eine Protestkundgebung vor dem Hotel „Sheraton“ geplant. An diesem Tag sollten dort Stoiber & Konsorten auftauchen. Also haben wir uns in der Früh vor der Uni getroffen und sind dann Richtung Arabellapark losmarschiert. Zu dem Zeitpunkt waren wir ca. 150 bis 200 Leute. Auf dem Weg dorthin schlossen sich uns noch viele Mitarbeiter_innen der verschiedenen Unikliniken an. Letzten Endes waren wir bestimmt an die 1000 bis 1500 Menschen, die sich an diesem Tag vor dem Hotel eingefunden hatten!

Aus allen möglichen Bereichen: Straßen- und Autobahnmeistereien, Theatermitarbeiter_innen, Pflegekräfte, Ärzte, Verwaltung, sogar Beamte und Bullen. Dann wurden ein paar „aufrührerische“ Reden geschwungen vom DGB-Vorsitzenden persönlich, vom Geschäftsführer ver.di- München und einigen Vertrauensleuten. Was natürlich ankommt. Das Ganze wurde, wenn wieder eine besonders kämpferische Aussage kam, von einem wilden Gepfeife und Fahnenschwenken seitens der Streikenden unterstrichen. Und das war schon das Äußertste an Protestform,wozu sich die DGB-Führer hinreißen ließen. Lief alles sehr geordnet ab. Als dann die Reden beendet waren, haben wir uns alle schön brav um den Vorhof des „Sheraton“ postiert und gewartet bis der Herr Ministerpräsident vorgefahren kam. Vereinzelt standen ein paar Streifenpolizisten rum, um uns daran zu hindern auf den Platz zu stürmen, was sowieso niemand gemacht hätte.

Als er vorfuhr wurde er für die 2 Minuten, die er vom Auto ins Hotel brauchte, fleißig ausgebuht und niedergepfiffen. Dann wurden von den ver.di- Leuten 10 Kandidat_innen (aus)gewählt, die das ungeheure Privileg erhielten unserem Ede schön gesittet in den Konferenzsaal zu folgen, um ihm dort „die Leviten zu lesen“. Sie durften Fragen stellen. Selbstverständlich ohne irgendwelchen lästigen Störungen wie Gepfeiffe oder gar Gejohle.

Für uns anderen, die wir nach wie vor draußen standen, war die Sache bald darauf gelaufen. Zehn Minuten später kam von ver.di der Abschiedsgruß. Schön, dass wir alle da gewesen wären und so fleißig mit demonstriert hätten. Für heute wär´s das gewesen und man freue sich schon aufs nächste Mal. Eine Viertelstunde später war der Platz leer! Im Handumdrehen haben die Leute brav ihre Plakate zurückgegeben, ihre Streikhemden (bzw. Plastiktüten) ausgezogen und vom Acker gemacht.

Das zweite lief es nicht viel anders ab. An diesem Tag war ein Demozug geplant, vorbei an den Unis, mit Zwischenkundgebungen, bis vor´s Finanzministerium. Ich glaube, ich habe ungefähr noch fünf Leute gezählt, die sich von den anderen Abteilungen der Unis unserem Demozug angeschlossen haben. Der Rest stand am Fenster. Als wir schließlich vor dem Finanzministerium standen, wurden wieder ein paar Reden gehalten, bis auch das vorbei war und wir wieder unsere Wege ziehen konnten. Irgendeine Reaktion des Ministeriums ließ natürlich vergeblich auf sich warten. Keine Ahnung, ob der Faltlhauser, dem das Ganze ja hauptsächlich gegolten hat, sich zu der zeit überhaupt im Ministerium aufgehalten hat. Hätte, glaube ich, auch keinen Unterschied gemacht.

Sicherlich haben ich kein Patentrezept, aber ich bin der Meinung, dass die Menschen egal welcher Branche, sich hier nach wie vor zu viel gefallen lassen. Wenn ich mir dagegen Frankreich ansehe, zeigen die „Unzufriedenen“ dort längst nicht so eine nahezu unerschöpfliche Geduld mit den Herrschenden. Die sich auch nicht lange mit irgendwelchen Mahnwachen vor Ministerien und Behörden auf…. was leicht ignoriert werden kann und wird!

Es ist ungleich schwerer die Leute zu ignorieren, wenn Universitäten und Betriebe besetzt werden. Und es kann zum Erfolg führen, wie es dort der Fall war. Warum nicht auch in der BRD? Vielleicht einfach mal rein ins Ministerium, bis zum richtigen Schreibtisch. Und zwar nicht ein paar Einzelne, die hinterher wieder als „Chaoten“ hingestellt werden, sondern alle! In gemeinsamer Solidarität. Dann reicht es nicht mehr nur die Vorhänge zu zu ziehen und sich abzuwenden, bis die Kundgebung vorbei ist.