„Wem gehört der Antikapitalismus?“ (Artikel aus dem ANTIFA Kalender 2008)

Mit der Dokumentation des Artikels wollen wir eine überfällige Debatte anleiern. Diesem Beitrag haben wir nichts hinzuzufügen.

WEM GEHÖRT DER ANTIKAPITALISMUS?

Eine Gute Nacht- Geschichte
Über den optischen Wandel der Naziszene haben wir ja in den letzten beiden Ausgaben des Antifa – Kalenders schon etwas geschrieben. „Schwarze Blöcke“ auf Nazi Demos, die massive Aneignung vermeintlich linker Styles und Codes und eine zunehmend „revolutionäre“ Rhetorik kennzeichnen einen Trend, der anfangs einige Verwirrung ausgelöst hat und antifaschistische Zusammenhänge immer noch vor eine Reihe von Problemen stellt. Wenn rechte Skaterboys mit „Ton Steine Scherben“ – Liedern und umgestylten Antifa – Symbolen durch die Straßen ziehen, wünscht sich wohl so mancheR die gut erkennbaren Bomberjacken – Glatzen (warum nicht einfach „Boneheads“? – aaud) der 90er zurück, die nebenbei so wunderbare Prototypen der Hässlichkeit waren, dass Abgrenzung ja schon aufgrund des guten Geschmacks nahe lag.

In den Irritationen, die die dreiste Aneignung und Umwidmung von Stilelementen der radikalen Linken ausgelöst hat, offenbarte sich aber auch die Schwäche einer politischen Praxis, die Form vor Inhalt setzt und antifaschistische oder revolutionäre Praxis allzu oft mit Verbalradikalismus und dem Pflegen eines mehr oder weniger martialischen Riot – Kults verwechselt. Denn die stilistischen Anleihen bei der Popkultur, aus der Hardcore- oder HipHop – Szene sind nun offensichtlich sogar in den notorisch unkreativen Wahnköpfen der Nazis angekommen. Und auch die Nazis haben an vielen Orten ihre subkulturelle Nische verlassen und sich in andere Bereiche vorgewagt – zum Teil mit Besorgnis erregendem Erfolg (z.B. in der Black Metal – Szene). Die Nachahmung eines „schwarzen Blocks“ auf Demos fiel da leicht.

Die Diskussion um rechte Zeichen und Codes hat aber noch eine andere Seite, die der Selbstkritik. Denn neben der reflexartigen „Alles nur geklaut“ – Reaktion gibt es eine Auseinandersetzung um die Stärken und vor allem Schwächen symbolischer Politik und um Inhalte lange nicht hinterfragter linker Symbolik. Daraus folgt bestenfalls, vermeintlich linke Codes auf ihre Offenheit für rechte Sinnstiftungen zu überprüfen und damit immer auch die politische Denke, die den Code prägt.

Ähnlich verhält es sich mit der Tatsache, dass auf Nazi – Demos seit geraumer Zeit Transparente mit Slogans wie „Kapitalismus bekämpfen!“, „Für die soziale Revolution“ auftauchen. Statt nur zu konstatieren, dass sei rechte Demagogie, muss zum einen darüber nachgedacht werden, wieso es scheinbar einfach ist, urlinke Slogans auf rechts umzudeuten. Und zum anderen, wie eine linke Position zu formulieren und unter die Leute zu bringen ist, die sich dieser Übernahme per se verwehrt. Zu rechtem und „falschem“ Antikapitalismus im Folgenden ein paar kurze Denkanstösse.

Rechter Antikapitalismus….
Seit Ende der 90er Jahre haben NPD und Kameradschaften den Antikapitalismus bzw. die Globalisierungskritik als Politikfeld entdeckt. Stand am Anfang der Versuch, auf populäre sozialpolitische Konflikte wie die Einführung des Euro oder Hartz IV Einfluss zu nehmen und sie zu kanalisieren, werden inzwischen auch andere Töne angeschlagen:
„Fast alle Probleme der heutigen Zeit sind auf Kapitalismus und Globalisierung zurückzuführen und es genügt eben nicht gegen Hartz IV, Auslandsverlagerungen und EU – Richtlinien vorzugehen, ohne die eigentliche Ursache anzugreifen“, heißt es auf der Kampagnen – Website antikap.de, die von verschiedenen JN- und NPD Ortsgruppen, Kameradschaften und dem Kampfbund Deutscher Sozialisten unterstützt wird.
Die Einleitung des Kampagnen – Aufrufs „Zukunft statt Globalisierung“ liest sich dann bis auf ein paar verräterische Formulierungen ein wenig wie das Flugblatt einer sozialistischen Jugendgruppe: da ist von „kapitalistischer Logik“, dem Regenwald und einer „gerechten Zukunft für die Völker“ die Rede.

Letztlich stellen Nazis dann doch klar, worum es ihnen mit ihrem „Antikapitalismus“ geht. Die Globalität des Kapitalismus sein das Problem und die Nation an sich schon eine „sozialistische Festung“ gegen den „kosmopolitischen Marktimperialismus“. Sie fordern die „vom Volkssozialismus angestrebte Integration des schaffenden Kapitals bei schärfster Bekämpfung des internationalen Finanzkapitals in die Volkswirtschaft“, die „die Grundsicherung des eigenen Volkes und ein Überleben des Staates“ garantiert. Dass das mit emanzipativem Antikapitalismus und linken Vorstellungen von Sozialismus herzlich wenig zu tun hat, ist offensichtlich und von anderen gut und umfangreich ausgeführt worden.

…..falscher Antikapitalismus?
Doch ist deshalb wirklich „Alles Lüge“, wie es eine Broschüre der Antifaschistischen Linken Berlin nahe legt? Die rechten AntikapitalistInnen machen ja keinen Hehl mehr aus ihrem Anliegen. Vielmehr vertreten sie mit ihrem „Volkssozialismus“ ein politisches Konzept, das schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts in der faschistischen Bewegung stark war und für das z.B. der SA Gründer Strasser stand. Ein Konzept, dass aus rechter Sicht durchaus antikapitalistisch ist, genauso wie es antisemitisch und antimarxistisch ist.

Die Vorstellung von einem starken Staat, der für seine BürgerInnen sorgt und sie in ein großes nationales Projekt (immer gern genommen: Krieg) einbindet, muss für autoritäre Charaktere geradezu paradiesisch sein: man wird geführt, darf arbeiten und das ganze noch für eine große Sache. Und hier liegt doch die eigentliche Brisanz der rechten Idee: in der, vor allem in Deutschland, immer noch vorhandene Vorliebe für autoritäre Lösungen. Exemplarisch ist in diesem Fall die 2006 durchgeführte Studie der Uni Leipzig, nach der 15% der Deutschen sich einen „Führer“ wünschen, der „Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert“.

Das Problem sind also nicht nur die durch Hartz IV und G8 – Gipfel anpolitisierten Jugendlichen und Arbeitslosen, die plötzlich auf die „antikapitalistische Demagogie“ der Nazis hereinfallen könnten, sondern die vielen autoritären Charaktere, auf die die Idee eines faschistischen Sozialstaats wie zugeschneidert scheint. Das deren lautes Geschimpfe gegen „die da Oben“ auf eine linke Grundhaltung schließen lässt, ist eine verheerende Fehleinschätzung.

Deshalb ist es zu kurz und verharmlosend gedacht, FaschistInnen einfach nur Demagogie vorzuwerfen und ihren „falschen“ Antikapitalismus zu entlarven. In der Auseinandersetzung mit FaschistInnen sollte es vorrangig um den Kampf gegen ein Menschenbild gehen, das auf rassistischen und antisemitischen Wahn basiert und Menschen in lebenswert und unlebenswert kategorisiert.

WHAT THE…..
Die Frage nach „falschem“ Antikapitalismus sollten wir uns als Linke vor allem selbst stellen. Es gibt schließlich gerade im Umfeld der Anti – Globalisierungs – Bewegung eine recht populäre Variante von Antikapitalismus, der die Verhältnisse verklärt, indem er Kapitalismis für die persönliche Herrschaft von KapitalistInnen bzw. multinationalen Konzernen hält. Daraus folgend wird eine scheinbare Verschwörng der „Herrschenden“ halluziniert und in den „kleinen Leuten“ nur das revolutionäre Subjekt gesehen und nicht der potentielle faschistische Mob.

Dagegen hilft, den eigenen Positionen mehr theoretische Schärfe zu geben. Satt reißerischer Sprüche mal versuchen, auch komplexe linke Positionen verständlich unter die Leute zu bringen. So richtig es bleibt, sich gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und sozialen Kämpfen als radikale Linke zu stellen, so wichtig ist es auch, das mit einer klaren Absage an vereinfachende und populistische Argumentationsmuster zu tun, und nichtaus Pragmatismus und Widerstandsromantik in Positionen zu verharren, die offen sind für rechte und antisemitische Projektionen.