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Das Grüne Haus in Suhl – ein alternatives Hausprojekt südlich des Rennsteigs

Seit nunmehr 22 Jahren existiert das Grüne Haus in Suhl als ein Treffpunkt für Punks, Antifaschist_innen und andere alternative Jugendliche und Erwachsene. Seitdem gab es immer wieder Probleme im Haus, sowohl finanzielle, als auch politische, die das Weiterbestehen des weitestgehend einzigen Hausprojektes dieser Art südlich des Rennsteigs in Frage stellten. Den neusten Höhepunkt der politischen Probleme gab es am 7. August 2015.


Das Grüne Haus ist im Zuge einer Hausbesetzung Anfang der 90er Jahre in der Meininger Straße in Suhl entstanden. Dieses besetzte Haus wurde jedoch kurze Zeit später geräumt. Daraufhin stellte die Stadt den Besetzer_innen ein anderes Gebäude in der Werner-Seelenbinder-Straße zur Verfügung, in dem sie zwei Jahre verbleiben konnten. Hier gründete sich auch der Verein „Alternativer Jugendkreis e.V.“, kurz AJK. 1992 kam es in Suhl zu einer großen Straßenschlacht, da im Vorfeld einige Punks von Nazis krankenhausreif geprügelt wurden. Nachfolgend wurde auch das Haus in der Werner-Seelenbinder-Straße geräumt. Es folgten Demonstrationen und andere Protestformen, wie das Rumasseln im Suhler Stadtzentrum. Damit konnte genug Druck auf die Stadtverwaltung aufgebaut werden, sodass die alternativen Jugendlichen ein Haus in der Gothaer Straße 105 bekamen, sozusagen als Vereinssitz des AJK, das „Grüne Haus“, welches auch noch heute besteht.

Schon damals war es, genau wie heute, ein Ort, an dem sich Punks und Antifaschist_innen immer relativ sicher fühlen konnten vor Bullenstress und Naziübergriffen; nicht, dass beide es nicht immer mal wieder versucht hätten, das Haus anzugreifen. Größere Probleme hatten die Menschen im Haus allerdings mit der Stadtverwaltung, sowie finanzieller und personeller Art. Mehrfach konnte die Schließung verhindert werden, auch wenn das Projekt immer mal kurz vor dem Aus stand, weil die Miete an die Stadt nicht bezahlt werden konnte oder einfach die Leute ausblieben und die Konzerte, die im Haus stattfanden, nicht ausreichend besucht waren. Schließlich musste sich der AJK e.V. auflösen. Um die Schließung doch noch zu verhindern, gründete man 2011 den Verein „Grünes Haus e.V.“ und das Gebäude wird seitdem in kompletter Selbstverwaltung betrieben. Allerdings nahmen die finanziellen Probleme damit nicht ab. Deswegen gibt es seit 2015 kleinere und größere Solipartys und -konzerte, KüfAs, sowie eine Spendenkampagne. So fand auch am 7. August ein Solikonzert statt, bei dem es zu sehr unschönen Ereignissen kam.

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Die Vorfälle um den 7. August 2015

An diesem Abend, an dem ein Solikonzert für das Grüne Haus stattfand, dessen Erlös für die Erhaltung des Projektes genutzt werden sollte, offenbarte sich ein Problem, welches schon länger schwelte und an dem Abend offensichtlich zu Tage trat. Was ist geschehen?

Am Vorabend des Konzertes war bereits eine von drei Bands in Suhl angereist und saß mit einigen Menschen aus dem Grünen Haus in kleiner Runde zusammen. Im Laufe des Abends fand ein Bandmitglied mehrere CDs von Nazi- und Grauzonebands (Katgeorie C, Freiwild und Krawallbrüder) hinter der Bar des Hauses. Daraufhin kippte die Stimmung. Es entbrannte ein Streit zwischen den Bandmitgliedern, ob sie am nächsten Tag spielen sollten oder nicht. Am Freitagmorgen entschieden sie sich für letzteres und reisten ab. Dies führte dazu, dass die CDs von den genannten und anderen dubiosen Bands dem Ort zugeführt wurden, an den solche CDs hingehören, nicht hinter die Bar, erst Recht nicht in den CD-Player, sondern in den Müll. Das Konzert sollte weiterhin wie geplant stattfinden. Noch bevor das Konzert so richtig losging, betrat ein Neonazi das Grüne Haus. Das T-Shirt der Naziband „Überzeugungstäter“, welches er trug, wurde am Einlass nicht erkannt, aber auch nach Hinweisen darauf, flog die besagte Person nicht raus; nicht zuletzt, weil einige Personen der Haus-Crew sie schon lange kennen. Den ganzen Abend über provozierte der Nazi die Leute, die hinter einem Antifa-Infostand saßen mit seinem Verhalten. Die erste direkte Konfrontation gab es einer transsexuellen Person gegenüber. Sie wurde von dem Nazi mit trans- und homophoben Beschimpfungen beleidigt, worauf die Leute hinter der Bar nicht reagierten, sodass sich die Transsexuelle von der Bar entfernte.

Kurz danach suchte der Nazi die Konfrontation mit zwei Antifaschisten, bei der er auch handgreiflich wurde. Reflexartig reagierte einer der Beiden mit einem Tritt, was den Sexisten und Faschisten nur aggressiver machte. Es folgten wüste Beschimpfungen des Nazis gegenüber den dazukommenden Antifaschist_innen. „Hurensöhne“, „Antifa-Fotzen“ oder „Schwuchteln“ waren nur einige Ergüsse seines geistigen Mülls, was die Stimmung weiter aufheizte. Daraufhin wollte sich der Nazi, wie es sich für so einen männlichen Mann gehört, auch mit den anwesenden Antifaschist_innen prügeln, sodass ihn die Hausleute in einem extra Raum von den restlichen Gästen isolierten, die danach ein bis zwei Stunden vor dem Raum standen und diskutierten. Irgendwann wurden sie dann mehrfach von der Haus-Crew aufgefordert, zu gehen, was dann letztlich auch geschah. Allerdings war die Stimmung immer noch nicht abgekühlt, was auch daran lag, dass der Nazi, sowohl aus dem Fenster des Raumes, als auch später dann vom Fenster der Bar, den Hitlergruß zeigte. Dies beantworteten einige Leute mit einem Flaschenwurf, allerdings nicht um das Haus zu schädigen, sondern um den Nazi zu treffen, was auch dazu führte, dass die restlichen Menschen im Haus die Polizei riefen.

Wie erwähnt, trat hier ein Problem zu Tage, welches schon länger existierte, nämlich dass komische Leute bis hin zu Nazis aufgrund von (Suff-)Freundschaften mit ins Haus gebracht wurden oder da schon länger ein und aus gingen. Wenn es dabei antifaschistische Interventionen gab, reagierte man ähnlich wie an dem Abend und legte den Antifas nahe, still zu sein oder zu gehen, während die Nazis bleiben konnten.

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Reaktionen und Einschätzungen

Die Auseinandersetzungen des Abends wurden, aufgrund eines Indymediaartikels, relativ schnell bekannt, was dazu führte, dass einige Menschen ihr gespendetes Geld zurück forderten. Am 9. August trafen sich ein paar Leute aus der Haus-Crew und veröffentlichten eine Stellungnahme zu den Vorfällen. In dieser heißt es selbstkritisch: „Wir müssen uns eingestehen, dass wir die Situation nicht erkannt bzw. völlig falsch eingeschätzt haben. Wir, das Grüne Haus, sind uns darüber bewusst, dass es bei uns Probleme gibt, die ehrlich und transparent aufgearbeitet werden müssen. […] Wir werden uns intensiv mit unserem Selbstverständnis auseinandersetzen und Konsequenzen ziehen.“1 Weiterhin gab es danach eine Mitgliederversammlung des Vereins, in der dem Nazi lebenslanges Hausverbot ausgesprochen, aber auch klar gemacht wurde, dass es so nicht weitergehen kann mit dem Haus. Es soll nicht als Nazi- oder Grauzoneschuppen gelten, was es dem eigenen Anspruch nach auch nie war oder ist. Des Weiteren entschied man sich, eine klare Linie zu fahren und alle Personen, die Nazis sind und/oder Nazikleidung tragen, sofort rauszuschmeißen. Außerdem sprach sich die Haus-Crew für eine engere Zusammenarbeit mit den lokalen Antifagruppen aus.

Das heißt nicht, dass eine solche Zusammenarbeit nicht auch schon vorher existierte. Auch in der Vergangenheit gab es zahlreiche antifaschistische Informations- und Bildungsveranstaltungen oder Infostände zu Konzerten. Dazu zwei Beispiele: Anlässlich des antifaschistischen und antirassistischen Ratschlags 2013 in Suhl unterstützte das Haus diesen, indem es die Räumlichkeiten und die Technik für das Abschlusskonzert zur Verfügung stellte. 2009 organisierte die damals noch bestehende „Antifaschistische Gruppe Südthüringen“ (AGST) eine Informationsveranstaltung im Grünen Haus zur Demonstration „Still not lovin‘ Germany“ in Leipzig. Als der Termin wenige Tage vorher auf der Homepage der Antifagruppe veröffentlicht wurde, liefen Ordnungsamt und Stadt Sturm und bauten Druck auf das damals noch von öffentlichen Geldern abhängige Hausprojekt auf. Sie sollten den „Linksextremen“ keinen Ort für eine Deutschland-kritische Veranstaltung geben. Die damalige Haus-Crew entschied sich gegen die Stadt und ließ die Veranstaltung stattfinden.

Das waren nur zwei Beispiele, an denen sich zeigen lässt, dass das Haus kein Grauzone- oder Naziladen ist. Auch die Entwicklungen nach den Vorfällen im August beweisen, dass sich im Haus etwas ändert. Die Haus-Crew achtet verstärkt darauf, welche Bands zu Konzerten eingeladen werden, welche Musik in den Stereoanlagen läuft, welche Leute das Haus betreten und nicht zuletzt, dass für antifaschistische Politik und Informationen im Haus immer ein Platz ist, auf Konzerten oder im Rahmen von Informationsveranstaltungen. Dementsprechend kann man der Einschätzung der Antifa Suhl/Zella-Mehlis über den Abend des 7. Augusts nichts weiter hinzufügen. Dort heißt es, die jüngsten Vorfälle seien eine Gelegenheit, „den Grauzonen-Mief endgültig abzuwerfen und das Haus wieder zu dem zu machen, als was es südlich des Rennsteigs in Thüringen lange Zeit fast ein Alleinstellungsmerkmal hatte: ein Hausprojekt, in dem für Nazis, Rassisten, Homophobe und Frauenfeinde kein Platz ist; einen Ort, wo jeder ohne Angst verschieden sein kann. Die Antifa Suhl/Zella-Mehlis unterstützt weiterhin jene Leute im Grünen Haus, die dafür kämpfen. Ihnen heute die Solidarität zu entziehen, würde bedeuten, das Hausprojekt der Grauzone zu überlassen, der am Haus ohnehin nichts liegt. Die Grauzone kann überall saufen. […] Das Haus soll ein Ort sein, an dem lebhaft diskutiert und gefeiert wird, aber solidarisch und ohne Angst vor Übergriffen jedweder Art. Das geht nur ohne Nazis, Rassisten, Homophobe und andere Idioten!“2

Konzert im Grünen Haus
Einige Wochen nach dem Beef: Einvernehmliches Feiern beim Solikonzert im Haus am 1. November 2015


  1. Die komplette Stellungnahme der Haus-Crew zu lesen unter: http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=763#Hausstellungnahme

  2. Die Einschätzung der Antifa Suhl/Zella-Mehlis ist hier zu lesen: http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=763