Statement zur gestrigen Besetzung des alten Schauspielhauses

02. Mai 2013

Gestern am 1.Mai 2013 wurde das alte Schauspielhaus in Erfurt besetzt. Ein Haus in Erfurt zu besetzen, obwohl am selben Tag ein Naziaufmarsch angemeldet wurde, finden wir richtig. Im Vorfeld hatten wir die Einschätzung getroffen, dass der Naziaufmarsch nicht an die Größe und Gewichtung der Aufmärsche des 1.Mai 2007 und 2010 heranreichen wird. So ist es schließlich auch gewesen, wenn auch die Nazis zahlreicher als von uns vermutet erschienen sind.
Auch in der Nachbetrachtung des 1.Mai in Erfurt war es kein Fehler, an diesem Tag das Alte Schauspielhaus zu besetzen und damit eigene Akzente linksradikalen Handelns hinzubekommen, welche sich nicht nur an den Nazis und deren Aufmarsch abarbeiten. Zum einen hatten wir den Eindruck, dass das Vorgehen der Besetzer_innen und ihrer Supporter_innen den Polzeiapparat zusätzlich belastete und in den Abendstunden sichtlich überforderte. Zum anderen ist es gelungen, Themen wie soziale Ausgrenzung, Freiräume, soziokulturelle Zentren wieder mehr Schwung zu geben und die Stadt Erfurt mit diesem Thema zu konfrontieren. Das Statement der Besetzer_innen, den 1.Mai als einen Tag sozialer und revolutionärer Kämpfe zu sehen, teilen wir.
Wir erleben, dass die Besetzung von vielen Leuten positiv aufgenommen wurde und Menschen v.a. in linken Zusammenhängen Mut gemacht hat, wieder verstärkt das zu fordern, was in Erfurt mit der Räumung des Topf & Söhne - Geländes zerschlagen wurde: einen sozialen Ort linken Handelns unter Selbstverwaltung! Die Stadt Erfurt signalisierte überraschenderweise noch am selben Tag Gesprächsbereitschaft mit den Besetzer_innen, worauf diese die Besetzung abbrachen und das Haus verließen. Es scheint eine Tür aufgestoßen worden zu sein und ob sich daraus eine Perspektive ergibt, wird sich zeigen.

Es wurden Behauptungen laut, dass sich die Besetzung gegen die Bemühungen des "keinen Meter"-Bündnisses richten würde und diese behindere. Diese Einschätzungen teilen wir nicht. Einerseits waren in der heißen Phase der Blockadeaktionen nicht viele Menschen bei der Besetzung anwesend, zum anderen wurde in den Statements und Äußerungen der Besetzer_innen kommuniziert, dass es um eigene Akzente und Ergänzungen zu den reinen Anti-Naziaktivitäten dieses Tages ging.
Wir, AG17, haben am 1.Mai 2013 nicht unseren Platz im "keinen Meter"-Bündnis gesehen. An dem vorgelegten Aufruf, so wurde uns signalisiert, könnten im Vorfeld nur noch Formulierungen und einzelne Sätze geändert und eingefügt werden - wir fanden ihn in weiten Teilen inhaltlich und faktisch falsch. Für uns ist es ein inhaltliches Roll back, sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner, gegen Nazis zu sein, zu begnügen. Nazis einfach nur abzulehnen ohne ihre gesellschaftliche Relevanz zu erklären, ist für uns mehr als dürftig. Das derzeit vorhandene Potenzial politisch aktiver Nazis hat gesellschaftlich wenig bis keine eigene Relevanz, zumal sie auch kulturell stark ausgegrenzt sind. Dass die politische und gesellschaftliche Relevanz der Nazis außerhalb ihrer Szene und Strukturen zu suchen ist, wollte das "keinen Meter"-Bündnis anscheinend nicht thematisieren.

Insgesamt war es für uns ein erfolgreicher und ereignisreicher Tag und wir sind gespannt, was sich aus diesen Ereignissen in naher Zukunft entwickelt.

Video der Filmpiraten